NOREIA IN DER ÜBERLIEFERUNG 
Von Prof. Walter SCHMIDT;

Abgedruckt aus: "Blätter für Heimatkunde", 8. Jahrgang, Seiten 1 -8, Graz 1930,

StLA Nr. 270 

An meine Grabungsergebnisse in St. Margarethen bei Silberberg hat sich eine Diskussion geknüpft. In Kärnten wurde Noreia für Hohenstein bei St. Veit in Anspruch genommen. Damit jedermann in der Lage sei, selbst über die Berechtigung meiner Gleichung St. Margarethen mit Noreia zu entscheiden, stelle ich im folgenden die Nachrichten zusammen, die Noreia erwähnen

  1. Die Stadt Noreia

    Der Ort Noreia wird genannt:

    1. Bei Sempronius Asellio in der Scholia Bern. (lib.5, fr.9) ad Verg.Georg.III, 474:
      Norica castella dixit ab urbe Noreia, quae est in Gallia, ut Asellio historiarum non ignarus docet. Sempronius Asellio ist spätestens 159 v.Chr. geboren; nach Gell.2, 13, 3 war er unter P. Scipio Africanus Militärtribun vor Numantia (134) und sein im Greisenalter begonnenes Werk reichte nach Gellius 13, 22, 8 wenigstens bis 91 v.Chr. Vergilius benannte "die norischen Befestigungswerke nach der Stadt Noreia, die in Gallien liegt, wie der geschichtskundige Asellio lehrt".
      Gallien, Galatien ist im Sinne älterer römischer Schriftsteller als die große, von den Römern noch nicht gegliederte Völkermasse vom Atlantischen Ozean bis zum adriatischen Meere aufgefaßt; ähnlich nennt Livius die Ostalpenkelten (39, 22, 6, 7; 39, 45, 6, 7; 43, 5, 1-5; 44, 14, 1; 55, 1-3) Galli transalpini, Gallici populi, Alpini populi,ein Hinweis, daß die einzelnen Stämme infolge der noch nicht abgeschlossenen Wanderungen im Ostalpengebiet noch in kein engeres staatliches Verhältnis zueinander getreten waren.
      Herrn Regierungsrat Prof. Dr. Al. Sigmund und Prof. Dr. K. Kniely fühle ich mich für ihre freundliche Beratung zu herzlichem Dank verpflichtet.

    2. Bei Strabo V, 214:
      "Aquileia liegt außerhalb der venetischen Grenzen; denn diese werden durch einen den Alpen entströmenden Fluß (wahrscheinlich Tagliamento) begrenzt, welcher eine Hinauffahrt von 1200 Stadien bis zur Stadt Noreia hat, in deren Umgebung (scil. ) Cneius Carbo gegen die Kimbern in Kampf geriet, aber nichts ausrichtete. Diese Gegend hat ergiebige Goldwäschen und Eisengruben."
      Die Länge des Handelsweges von Aquileia nach Noreia gibt Strabo mit 1200 Stadien (= 150 römische Meilen) an. Strabo legt seinen Berechnungen das italische Achtelmeilenstadion zu 185 Meter zugrunde (VII, 322); das ergibt für die Entfernung Aquileia - Noreia 222 Kilometer, eine Zahl, die der wirklichen Entfernung von 225 Kilometern sehr nahe kommt. Berechnet man das Stadion nach dem seltenen attischen Stadion des Polybius zu 177,6 Meter, ergeben 1200 Stadien 213 Kilometer.

      Goldvorkommen in der Umgebung von St. Margarethen sind am Silberberg, auf der Grebenze und in Kliening im Lavanttale in goldhältigen Kiesen in kristallinen Schiefern festgestellt worden. Die Eisenerze im Gebiete von St. Margarethen bis Hüttenberg sind teils Magnet-, teils Roteisensteine, teils für die Stahlerzeugung wichtige Spateisensteine, ihr Abbau wird seit vorgeschichtlicher und römischer Zeit betrieben2.

    3. Caesar, Bell.Gall. I, 5: Helvetii ... Boiosque, qui trans Rhenum incoluerant et  i n  a g r u m  N o r i c u m transierant N o r e i a m q u e oppugnabant receptos ad se socios sibi adsciscunt.
      "Die Helvetier haben die Boier, die ihre Wohnsitze jenseits des Rheins gehabt hatten und in das Gebiet von Norikum gezogen waren und Noreia belagerten, als Bundesgenossen bei sich aufgenommen und als Teilnehmer (am Zuge nach Gallien) gewonnen."
      Die Boier, die unter germanischem Druck vor der Mitte des 1. Jahrhunderts v.Chr. ihre Wohnsitze in Böhmen verlassen und sich an der Donau um Preßburg und in Pannonien niedergelassen haben, in der Nähe ihrer im Jahre 191 aus dem Gebiete von Bologna vertriebenen Stammesverwandten, verließen nach der schweren Niederlage, die sie um das Jahr 58 vom Dakerkönig Boirebistas erlitten, ihre Sitze in Pannonien und zogen an Noreia vorbei nach Gallien. Das gegen Boirebistas zustande gekommene Bündnis der Boier und Taurisker hatte sich nach der vernichtenden Schlacht in Feindschaft umgewandelt.

    4. Plinius ( 79 n.Chr.), Nat.hist.III, 19, 131: In hoc situ interiere ... Carnis Segesta et Ocra, Tauriscis Noreia.
      "In dieser Gegend gingen zu Grunde ... bei den Karnern Segesta und Okra, bei den Tauriskern Noreia."
      Im ersten Jahrhundert n.Chr. scheint die Stadt Noreia von einer Katastrophe heimgesucht worden zu sein. Daß das Leben in Noreia trotzdem nicht völlig vernichtet wurde, lehren die Inschriften C I L III 5040 und 5041, die im Kirchturme von St. Margarethen in Noreia eingemauert sind:

      C I L III 5040:
      Cotulia Mascli et Vibi(a)e fil(ia). Vibianus fecit.
      "Cotulia, Tochter des Mascius, und Vibia, Tochter des Vibius (der letzteren wurde das Denkmal bei Lebzeiten errichtet). Vibianus ließ es errichten."

      C I L III 5041: Secundinus Ittes (filius) vi(vus) fe(cit) si(bi) et Vibi(a)e Adiecti /filiae) et Secundin(a)e fi(liae) an(norum) XX et Senicioni fi(lio) an(n)o(rum) XXX. "Secundius, Sohn des Ittes, hat das Grabdenkmal bei Lebzeiten errichtet für sich, seine Frau Vibia, Tochter des Adiectus, seine mit 20 Jahren verstorbene Tochter Secundina und den mit 30 Jahren verstorbenen Sohn Senicio.
      Das engere Stammesgebiet der Taurisker umfaßte Obersteiermark mit der Tauernkette, die von ihnen den Namen erhielt, Ober- und Mittelkärnten und Oberkrain mit dem Laibacher Becken einschließlich Nauportus-Oberlaibach. Der Besitz dieses wichtigen Hafen- und Stapelplatzes, in dem die Waren, die von Aquileia über die Okra (Birnbaumerpaß) gebracht und auf Schiffe verladen wurden, sicherte den Tauriskern reiche Durchfuhrzölle und die Beherrschung des Handels nach Siscia und Pannonien.

    5. Tabula Peutingeriana (Anfang des 3. Jahrhunderts n.Chr.):
      Virono XIIII (milia passuum) Matucaio XIII Noreia XIII Noreia (irrtümlich wiederholt) XIIII ad pontem (Scheifling).
      Die Entfernung von 27 römischen Meilen (= 40 Kilometer) führt genau zum Herrenhause der Holzfabrik Einöd, bei dem die Inschriftsteine CIL III 5043, 5044 bis 5049 gefunden wurden3.
      In Einöd stand die römische Poststation Noreia, die ihren Namen von der vorgeschichtlichen Siedlung in St. Margarethen übernommen hat. In diese Entfernungsangabe fügt sich sehr gut ein der Meilenstein von St. Georgen bei Neumarkt C I L III 5731 (= 13.533):
      D(omino) n(ostro) Fl(avio) Val(erio) Constantino p(atriae) invicto Aug(usto) a Vir(uno)? m p XXXII (47.360 Kilometer)4



  2. Die Schlacht bei Noreia

    1. Noreia als Ort der Schlacht im Jahr 113. v. Chr. wird nur bei Strabo erwähnt (vgl. S. 6).

    2. Eine Schilderung der Schlacht ohne Nennung des Ortes gibt Appian, Römische Geschichte, 4. Buch, Kapitel 13:

      "Eine zahlreiche Schar von Teutonen (= Kimbern) fiel plündernd in das Gebiet von Norikum ein. Da befürchtete der römische Konsul Papirus Carbo, sie möchten auch in Italien eindringen, und besetzte deswegen die Alpen, wo der Durchgang am engsten ist. Als aber jene nicht angriffen, ging er selbst auf sie los, unter der Beschuldigung, daß sie in das Land der Noriker, die Gastfreunde der Römer seien, eingefallen wären. Zu Gastfreunden machten die Römer die, denen sie den Titel "Freunde" verliehen, aber Notwendigkeit lag nicht vor, ihnen wie Bundesgenossen zu helfen. Sobald sich nun Carbo den Teutonen näherte, schickten sie zu ihm: Sie hätten nicht gewußt, daß das Norikerland zu den Römern in gastfreundschaftlicher Beziehung stehe, sie würden in Zukunft von ihnen ablassen. Carbo lobte sie und gab ihnen Wegweise, heimlich aber hatte er den Führern aufgetragen,sie einen weiten Weg herumzuführen. Er selbst eilte auf dem kürzeren voraus und überfiel die Teutonen unvermutet in ihrer Raststellung, büßte aber für seine Treulosigkeit durch den Verlust vieler Leute. Bald hätte er alle verloren, hätte nicht die Dämmerung und der Regen und ein schweres Gewitter, das noch während der Schlacht ausbrach, sie getrennt und dem Kampfe durch den Schrecken von oben ein Ende gemacht. Trotzdem flohen die Römer vereinzelt in die Wälder und fanden sich kaum am dritten Tage zusammen. Und die Teutonen zogen ins Gebiet der Galater."

    3. "Die abenteuerlichen Wege des kimbrischen Wandervolkes"(E. N o r d e n, Germanische Urgeschichte, S.224 ) gingen nicht längs der Drau, sondern von Noreia über die Tauern "längs dem südlichen Ufer der Donau in das Gebiet der Helvetier" (E.  N o r d e n,  S.224 ff.).

    4. Livius, 43. Buch (Epitome):
      ...Cimbri gens vaga, populabundi in Illyricum venerunt; ab iis Papirius Carbo consul cum, exercitu fusus est.
      "Die Kimbern, ein unstetes Volk, kamen nach Illyricum (Illyrien, Pannonien und Noricum), um zu plündern; der Konsul Papirius Carbo mit seinem Heere wurde von ihnen geschlagen."

    5. Den Widerhall der Schlacht und die Bedeutung der Niederlage bei Noreia schildert Tacitus, Germanie, kap.37:
      Eundem Germaniae sinum proximi Oceano Cimbri tenent, parva nunc civitas, sed gloria ingens. Veterisque famae lata vestigia manent, utraque ripa castra ac spatia, quorum ambit nunc quoque metiaris molem manusque gentis et tam magni exitus finem. Sescentesimum et quadragesimum annum urbs nostra agebat, cum primum Cimbrorum audita sund arma Caecilio Metello et Papirio Carbone consuiibus. Ex quo si ad alterum imperatoris Traiani consulatum computemus, ducenti ferme et decem anni colliguntur: iam diu Germania vincitur.
      "In derselben Ausbuchtung Germaniens wohnen, unmittelbar am Nordmeer, die Kimbern, jetzt ein kleines Volk, ihr Ruhm aber ist gewaltig. Weithin sind Spuren des alten Rufes noch vorhanden, auf beiden Ufern des Theines haben sich Lagerplätze erhalten, aus deren Umfang man heute noch die Masse und Leistungen des Volkes und die Beglaubigung einer so großen Auswanderung ermessen kann. Unsere Stadt stand im 640. Jahre (113. v. Chr.),  a l s  m a n  z u m  e r s t e n  M a l e  v o n  d e n  W a f f e n t a t e n  d e r  K i m b e r n  h ö r t e,unter dem Konsulate des Caecilius Metellus und Papirius Carbo. Rechnen wir von dort bis zum zweiten Konsulate des Kaisers Trajan (98 n.Chr.), so macht dies etwa 210 Jahre. So lange schon siegt man über Germanien!"

  3. Verehrung der Göttin Noreia in den Ostalpenländern
    1. Weihmörting, Niederbayern C I L III 5613 (= 11781) = Vollmer, Inscriptiones Bavariae Romanae 434. Noreiae Aug(ustae) Sacrum Septimius Claudianus, tribunus coh(ortis)V Breuc(orum) Philippianae pro se suisque v(otum) r(eddidit) l(aetus) l(ubens) (erito)
      "Noreia Augusta heilig. Septimius Claudianus, Tribun der fünften Philippischen Kohorte der Breuker, hat das Gelübde für sich und die Seinen mit Freuden erfüllt" Die Kohorte war seit 80 n.Chr. in Norikum stationiert. Vgl. Pauly-Wissowa, Real.Enzyklopädie, IV., S. 259. Der Stein stammt mit größter Wahrscheinlichkeit von der Innmündung, wurde bei Abtragung der Kirche von Weihmörting gegenüber von Schärding in der Mauer verbaut gefunden und befindet sich jetzt im Museum zu Landshut.

    2. Cilli (heute Celje / Slowenien, Anm.d Bearb.)

      1. C I L III 5188.
        I(ovi) O(ptimo) et Cel(eiae) et Noreiae sanct(a)e Rufi(us) Senilis b(ene)f(iciarius) co(n)s(ularis) pro se et suis v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito).
        "Jupiter, Celeia und Noreia heilig. Rufius Senilis, Benifiziar des Konsuls, hat das Gelübde für sich und die Seinigen mit Freuden erfüllt."

      2. C I L III 5193:
        Marti (Herculi) Victori(ae) Noreiae.
        "Mars, Herkules, Viktoria, Noreia heilig."

        Vielleicht verbirgt sich unter Herkules und Viktoria ein von den Kelten verehrtes Götterpaar. Die gemeinsame Verehrung von Herkules und Viktoria ist für den Kugelstein bei Deutschfeistritz bezeugt. (C I L III 11.743)

    3. Trojana C I L III 5123:
      Norei(a)e August(ae) et Honori stat(ionis) Atrant(inae) Bellicus et Eutyches (contra) Sc(riptores) stat(ionis) eiusdem ex vot(o).
      "Noreia und dem Honor der Station von Atrans die Gegenschreiber der Zollstation Bellicus und Eutyches in Erfüllung des Gelübdes." Der Altar der Noreia wurde wie ein Altar des Atrans (C I L III 5117) von Trojana nach Görz (Gorizia /Slowenien Anm. d. Bearb.) überführt; sie werden im Palais Attems in Görz aufbewahrt.

    4. Kerschbach bei Windischfeistritz C I L III 5300:
      Marti Aug(usto) et Noreiae reginae et Britania e pr(o)vi(n)ciae) L(ucius Sept(imius) Tertinus (centurio) l(eg)ionis II Ital(icae) p(iae) fidelis) ex vol(o) d(ono) d(edit).
      "Mars. der Königin Noreia und der Provinz Britania hat L. Septimius Tertinus, Centurio der zweiten italischen Legion (die in den Jahren 167 bis 180 in Litschitz im Sanntale, später in Laureacum stand), in Erfüllung des Gelübdes den Altar gewidmet."
      Die Inschrift stammt aus einem Heiligtum, von dem ansehnliche Architekturreste in der Kirchenwand und Umfassungsmauer des ehemaligen Friedhofes von Kerschbach verbaut sind.

    5. Hohenstein bei Pulst in Kärnten.
      Auf dem Plateau unterhalb des Schlosses Hohenstein hat man auf dem sogenannten Wörtsch- und Zoppenfelde im Jahre 1895 ein kleines Heiligtum der Noreia (Länge 12,5 Meter, Breite 7,35 Meter) ausgegraben (Mitt. der Zentralkomm. 1896, S.164 f., mit Llan), das um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. errichtet, um die Mitte des 2. Jahrhunderts umgebaut wurde. An dieser Stelle wurden bereits in früheren Jahren, besonders in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, mehrere Altäre der Noreia gefunden.

      1. Der älteste Altar ist aus der Zeit des Kaisers Claudius (41 bis 54): C I L III 4808:
        Nor/eiae) Chrysanthus Cypaeri (Ti)berii) Claudi(i) Caes(aris) Aug(usti) Ser(vus) Vic(arius) v(otum) s(olvit). "Der Noreia hat Chrysanthus, Untersklave des Cypaerus, eines Sklaven des Kaisers Klaudius, sein Gelübde eingelöst" (Gefunden 1848).

      2. C I L III 4806, noch aus dem 1. Jhdt.:
        Noreiae Aug(ustae) sacr(um) Q(uintus) Fabius Modestus domo Roma dec(urio) al(ae) Aug(ustae) Thracum phialam argent(eam) p(ondo) II (quadrantem) emblemata Noreiae aurea unicias duas d(ono) d(edit).
        "Noreia Augusta geweiht; Quintus Fabius Modestus aus Rom, Dekurio der ersten thrakischen Ala, hat eine Silberschale im Gewichte von 2 1/3 Pfund (= 737 Gramm) und goldene Noreiabildchen im Gewichte von 2 Unzen (ungefähr 55 Gramm) als Geschenk gegeben."
        Die goldenen Medaillons (wahrscheinlich Bildnisse von Isis) waren in die silberne Schale eingelassen. Gefunden 1849

      3. C I L III 4809, 2. Jahrhundert:
        Isidi Norei(ae) v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito) pró salúte Q(uinti) Septuei Clémentis con(ductoris) fer(rariarum) N(oricarum P(annoniarum) D(almatarum) et Ti(berii) Cl(laudii) Héraclae et On(aei) Octa(vii) Secundi pro(curatorum) fer(rariarum) Q(uintus) Septueius Valéns pro(curator) ferr(ariarum).
        "Der Isis Noreia hat Qu. Septueius Valens, Verwalter der Eisengruben, sein Gelübde eingelöst zum Danke für die Gesundheit des Qu. Septueius. Clemens, Pächter der norischen, pannonischen und dalmatischen Eisengruben und der Verwalter der Eisengruben Tiberius Claudius Heracla und Cn. Octavius Secundus."
        Gefunden 1849

      4. Die Bauinschrift des Heiligtums C I L III 14.362 und 14.363:
        Noreiae Aug(ustae) sacrum Sabinius ... n(ene)f(iciarius). Claudi(i) Paterni Clementiáni próc(uratoris) Aug(usti) a solo restituit cellam columnas pavimenta porticum.
        Gefunden1895
        "Der Noreia Augusta. Sabinius ..., Benefiniarier des kaiserlichen Statthalters Claudius Paternus Clementianus, hat von Grund auf erneuert die Cella, die Säulen, die Fußböden und die umlaufende Halle des Heiligtums."

        Cl. Paternus Clementianus war nach M Peaks, Administration of Noricum, S. 176, wahrscheinlich um das Jahr 161 Prokurator von Noricum.

      5. C I L III 4807:
        Altar, gefunden nach A. Eichhorn, Beiträge zur Geschichte Kärntens II, S. 41, am Anfange des 19. Jahrhunders im Bezirke des Noreiatempels von Hohenstein. Als Amboß in einer Sensenschmiede im Feistritzgraben verwendet, ging er zugrunde. Die unvollständige Inschrift lautet:
        Noreiae Augustae De ... Auc ... P ..

      6. Auf dem Ulrichsberge bei Feistritz im Glantale. C I L III 4810:
        Noreiae Isidi fecit A(ulus) Trebonius Proc(urator).
        "Der Noreia Isis errichtete das Denkmal der Prokurator Aulus Trebonius". Wegen des Mangels einer näheren Bezeichnung ist es unsicher, ob Aulus Trebonius statthalter von Norikum oder Verwalter der Eisengruben war.
        Vgl.Jantsch, Neue römische Inschriften in Kärnten, Carinthia, I, 1927, S. 5

        Nach Jaksch, Geschichte Kärntens, I, S. 28, stammt die Inschrift offenbar aus dem Tale; ich vermute aus Hohenstein.

        Die Stifter der Altäre in Hohenstein sind nicht Einheimische, sondern griechische Sklaven, ein aus Rom gebürtiger Soldat, ein Beamter des Statthalters und Pächter der norischen Eisengruben. Die letzteren hatten ihren Geschäftssitz in Aquileia (vgl. dazu C I L III 4788 und C I L V 810). Aus der Verleihung des Beinamens August an Noreia und ihrer Angleichung an die ägyptische Fruchtbarkeitsgöttin Isis ist ersichtlich, daß die Römer den einheimischen Noreiakult zu einem römsichen Staatskult umzugestalten versucht haben.

  4. Die Lage von Noreia

    Die Funde von Hohenstein haben R. Egger, Führer des Landesmuseums in Klagenfurt, S. 13 (obwohl die antike Eisenproduktion des unmittelbaren Hinterlandes von Hohenstein gar nicht erwiesen, wegen der geringen Mächtigkeit des Erzvorkommens nicht wahrscheinlich, das Goldvorkommen ausgeschlossen ist), veranlaßt, bei dieser Kultstätte "aller Wahrscheinlichkeit nach die alte Hauptstadt des norischen Königreiches, das Noreia der Kimbernschlacht zu suchen" ... "lieber hier als in der Gegend der für das späte Altertum bezeugten gleichnamigen Poststation bei Neumarkt in der Steiermark". E. Reisch (Die österreichischen Alpen, S. 212) läßt die Wahl zwischen der Gegend von Neumarkt, Hohenstein und Curina (Ansicht Ulrich Kahrstedts, Gött.Gel.Anz. 1927) unentschieden, ohne die einzig maßgebenden Angaben Strabos zu berücksichtigen.

    Bei Berechnung der antiken Distanzangaben von Aquileia nach Noreia hat man in der Diskussion der Noreia-Frage des öfteren auf den Versuch des vervollständigten Itinerars hingewiesen, den R. Egger, Frühchristliche Kirchenbauten im südlichen Noricum, S. 92 und 102, unternommen hat. Eggers Zusammenstellung leidet an der unrichtigen Auswertung der Itinerarangaben. Die Itinerare des Altertums sind gerade für die Strecke Aquileia-Virunum unvollständig. Ich hebe hervor, daß sowohl die Peutingersche Reisetafel als das Antoninische Wegeverzeichnis in der Zeit des Kaisers Caracalla (211-217)entstanden sind und daß die Tabula Peutingeriana von der Weltkarte des Agrippa (Zeitalter des Augustus) beeinflußt wurde und manche Bestandteile derselben übernommen haben kann. Vergleiche dazu die Arbeiten von W. Kubitschek in Pauly-Wissowa, Realenzyklopädie (Karten, Itinerarien) und Gött.Gel.Anz. 1917.Die Tabula Peutigeriana führt eine Route mit drei bekannten und drei unbekannten Stationen an, die uns nicht weiterhilft; ich berücksichtige sie daher nicht.

    Das Itinerarium Antonini bringt folgendes Straßenverzeichnis (nach der Ausgabe von O. Cuntz, Itineraria Romana, S. 41):

    Ab Aquileiaviam Belloio m.p. XXX

    Laricem.p. XXIV

    Santicom.p. XXIV

    Virunom.p. XXX

    Zwischen viam Belloio und Larice ist eine Station mit der Entfernung von XXIV römischen Meilen ausgefallen, die Statio Piorucensis (R. Egger, eine römische Straßenstation in Resiutta, Österr. Jahreshefte, 21/22 Beibl., S. 314). Wir haben daher nur zwei sichere Entfernungen, jene von Aquileia nach viam Belloio und die Entfernung von Larix-Saifnitz nach dem Zollfelde.

    Im Itinerarium Antonini ist noch ein gemeinsamer Straßenteil von Aquileia nach Norden angegeben, von Aquileia XXX Meilen (1 Meile - 1.480 km) ad Tricesimum (lapidem),beim 30. Meilenstein, heute Tricesimo. Wegen der gleichen Meilen kann ad Tricesimumnur mit dem Vermerk viam Belloio XXX m.p. der Strecke Aquileia-Virunum zusammengefallen, das heißt, bei Tricesimo begann die Abzweigung einer Straße nach Belloium.

    Wir erhalten daher folgendes Stationenverzeichnis:
     
     
    Antikes Wegmaß

    Tatsächliche Entfernung

    Aquileia

    XXX

    ad Tricesimum

    (viam Belloio)

    XXIII (ausgefallen)

    Statio Plorucensis

    XXIV

    Larix (beim Lärchenbaum)

    XXIII

    Santicum

    XXX

    Virunum

    Aquileia

    44 km

    Tricesimo

    34 km (ausgefallen)

    Resiutta

    37 km

    Saifnitz

    30 km

    Villach

    42 km

    Zollfeld

    CXXX m.p. = (192 km)

    187 km

    Egger hat das Wegmaß Tricesimo-Saifnitz mit 81 km anstatt mit 71 km berechnet, obwohl die Bahnstrecke Tricesimo-Tarvis die Entfernung von 80 km hat.

    In diese Entfernungsangaben 130 römische Meilen und 187 km fügt sich das einzige von Ptolomaeus überlieferte antike Wegmaß Aquileia-Virunum 125 römische Meilen = 177 km überraschend gut ein. Vgl. O. Cuntz, Die Geographie des Ptolomaeus, S. 130 f.

    Eine Zusammenstellung der Entfernungen von Aquileia-Noreia (Sankt Margarethen) gibt folgendes Ergebnis:

    1. Strabo, 1200 Stadien, 222 km

    2. Itinerarium Antonini, Aquileia-Virunum (192) 187 km + Virunum-St.Margarethen 44 km (236), 231 km.

    3. Ptolomaeus, Aquileia-Virunum 177 + 44 km, 221 km

    Die tatsächliche Entfernung Aquileia-Hohenstein aber beträgt bloß 187 km.

2Vgl. dazu Mitterdorfer, die Krebenzenalpe, Carinthia 13, 1823, S 81 ff. - E. Riedl, Die Goldbergbaue Kärntens, Sonderabdr. aus der Österr. Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, Wien 1873. - W. Hofbauer Bergwerksgeographie Österreichs, S.29f - XV, Bericht der röm.germ. Kommission, 1925, S 195 - Münchsdorfer, Hüttenberg
3 Vgl. dazu H. Gutscher, Neumarkt in Steiermark, 1909, S. 13.f.
4Vgl.dazu N.Kohn, Die römische Heerstraße von Virunum nach Ovilava, Sitz.-Ber.der Akad.der Wiss.Wien, 1875, S.406 ff